Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Entdeckungen am Hamburger Wappen 12.07.2021 An diesem Montagnachmittag ist es schwül in Halberstadt. Die Luft in der rollenden Blechdose scheint aus einer Sauna zu kommen. Ich setze mich trotzdem da hinein. Fenster runter und auf die Piste nach Blankenburg. Dort biege ich hinter dem Ortsausgang nach Timmenrode, Timmendorf liegt woanders, ab. Wir fahren parallel zur Teufelsmauer bis zu dem kleinen Ort an den Ausläufern vom Harz. Abseits der Hauptstraße gibt es einen Parkplatz. Von hier aus starten wir in Richtung Teufelsmauer und wenn man von selbiger im Harz spricht, meint man meist die markante Felsformation nahe Weddersleben. Doch das geologische Gebilde zieht sich über eine Länge von zwanzig Kilometern von Ballenstedt bis nach Blankenburg. An einigen Stellen kann man ganz besondere Felsformationen bestaunen. Letzteres weiß ich erst, seitdem ich im Harzvorland leben darf und dieses Wissen ist der Grund, in Timmenrode zur Taufelsmauer zu gehen. Ich möchte das Hamburger Wappen, eine sehr spezifische Felsformation, endlich sehen. Es müssen nicht immer Kilometer sein, um ein attraktives Ziel zu erreichen. In diesem Fall läuft man gemütlich über einen Feldweg, an einer Kirschplantage entlang, bis zum Waldrand und folgt dort dem Weg gemächlich den Hang aufwärts. Nach einem Viertelstündchen, oder bestenfalls zwanzig Minuten, wird man mit einer ersten wundervollen Sicht in die Ebene zwischen Teufelsmauer und Harz belohnt. Eine Bank, mit dem Teufel aus Holz im Rücken, lädt ein, sich für das Panorama Zeit zu lassen. Erhebt man sich dann und wendet seinen Blick in nach oben, schaut man staunend auf drei Felsentürme, die sich zum Himmel strecken: das Hamburger Wappen. In einer Sandsteinformation ragen „Die drei Zinnen“, auch Hamburger Wappen, wegen der Ähnlichkeit zum Wappen der Hansestadt, genannt, senkrecht gen Himmel. Erst einmal stehe ich einfach nur und bestaune, was ich sehe. Was mögen Menschen früherer Generation bei diesem Anblick wohl gedacht, wie mag der Anblick auf sie gewirkt haben? Keine Ahnung, aber die Fantasie malt mysteriöse Bilder in mein Kopfkino, denn ich weiß von Sagenhaftem, das sich hier abgespielt haben könnte. Ich stehe auf Sandsteinplatten und schaue in ein Oval unter mir. Wie in einem Talkessel en miniature betrachte ich eine Sagenwelt, die zum Waldrand abfällt. Auf der Gegenseite aber strecken sich „Die Drei Zinnen“ bis zum Blau des Himmels über die Baumwipfel, vor dem sie wie drei gigantische Finger wirken. Fehlt nur noch, dass der Teufel höchstpersönlich dort oben auftaucht. Heiß und schwül genug wäre es ja. Auf dem felsigen Untergrund steige ich vorsichtig nach oben bis zum Rand, der zu meinen Füßen steil nach unten abfällt und sich irgendwo in den Spitzen der Bäume verliert. Nicht hinsehen, sondern den Blick über den Wald tief unter mir in die Weite genießen: Wiesen, Weiden, Felder, Westerhausen und hinter der Autobahn 36 die Hügel von Börnecke. Es ist wunderschön, so weit ins Land zu schauen und zu wissen, hier darf ich die nächsten Jahrzehnte (!) Leben als Rock-Rentner verbringen. Vorher möchte ich mir dieses Wappen aus Sandstein aus der Nähe betrachten. Dafür müssen noch ein paar Meter erklettert werden und dann stehe ich auf der oberen Felsformation. Riesige Steinbrocken und vom Wind zerzauste Kiefern, zwischen denen sich so etwas wie ein Trampelpfad schlängelt. Die Neugier treibt mich dorthin und wenige Augenblick später kann ich von der Rückseite der „Zinnen“ in die Weite der Landschaft sehen. Tief zu meinen Füßen wieder die Baumwipfel, die sich von unten mir entgegenstrecken. Nichts für mich und deshalb wieder zurück, an drei „tanzenden Bäumen“ vorbei in die Sicherheit eines festen Untergrundes auf dem kleinen Felsplateau und von da wieder runter. Mein Wanderstab hilft meiner Hüfte auf dem feinen Sand des Felsens nicht auf den Hosenboden zu fallen. Unterhalb des „Hamburger Wappens“ stehe ich in der kleinen Senke, die einem Abenteuerspiel-Platz gleicht: Sandkuhlen, Kletterstieg, Felsbrocken und Nischen zum Verstecken. Mittendrin eine Kiefer, die ihre Wurzeln in den steinigen Untergrund krallt. Unten lockt ein großes Loch im Gestein, einer Höhle gleich. Doch beim Annähern erkennt man einen gewölbten tunnelartigen Durchgang, der zur Plattform auf der anderen Seite am Felsabhang führt der Kuhstall. Das Ganze erinnert mich ein wenig an das Elbsandsteingebirge, denn von der Plattform genieße ich wieder den faszinierenden Blick in die Ebene vom Harzvorland mit all den Feldern, Wiesen und Hügeln. Nur nach unten schauen darf ich nicht, weil es mich gruselt, der vielen Abfälle wegen, die einige Besucher hinterlassen haben. Keine Ahnung, was in deren Gehirnwindungen wichtig ist und ob die noch Ideale haben?! Schnell noch ein „Gruppenfoto“ mit Wappen und Tunnel im Hintergrund und dann verlasse ich diesen Ort wieder, dessen Faszination und mystischen Zauber ich noch ein wenig genießen möchte. Für alle DEFA-Liebhaber sei darauf verwiesen, dass hier die meisten Szenen des Märchens vom „Singenden klingenden Bäumchen“ aus dem Jahre 1957 gedreht wurden. Auch den Blick in das Teufelsloch am Felsengrund, mit der Rittertreppe außerhalb, gestatte ich mir und der Stempel Nummer 75 hinterlässt ebenfalls einen Abdruck im Wanderheft. Als Beweis und als Bestätigung, diesen magischen Ort auf der Teufelsmauer besucht zu haben. Noch einmal schweißt mein Blick über die Felsformation und über die Landschaft bis zum Harz. Auch nach beinahe sieben Jahren empfinde ich es als Privileg, diese schöne Gegend als meine neue Heimat begreifen zu dürfen. Auf dem Rückweg genieße ich genau diese Einsicht und ich weiß, spätestens im Herbst werde ich wieder hier sein, um dann ein farbig buntes Herbstbild zu sehen und außerdem den Orakelfelsen sowie die Kucksburg, ganz in der Nähe, zu besuchen. Für heute signalisiert meine Hüfte nur „Zick“ und außerdem habe ich keine trockene Faser mehr am Leib. Während oben am Wappen ein feines Lüftchen für etwas Erfrischung sorgte, stapelt sich im Ort die schwülwarme Luft, die alle Poren öffnet. Nach der Sehnsucht in die Natur brauche ich jetzt eine frische kalte Dusche. Die Idee für mein nächstes Wanderabenteuer rekelt sich schon im Hinterkopf. Bald wird sie erwachen.